
Die Gastgeber Christelle (l) und Robert (r) sitzen neben den Schwestern Svetlana (2.v.l) und Marina (2.v.r), sowie ihren Töchtern Sofiia (unten, l) und Diana (unten, r), die aus der Ukraine geflüchtet sind, auf dem Sofa. Die beiden Schwestern sind mit ihren Töchtern aus Kiev geflohen und wohnen im Haus ihrer Gastgeberfamilie in einer Wohnung, welche normalerweise von den Eltern des Gastgebers genutzt wird. Die Freundschaft beider Familien geht lange zurück auf gemeinsame Aufenthalte in Südfrankreich, als Svetlana und Marina nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl zur Erholung bei der Familie von Christelle unterkamen. Die französische Flagge mit der Sonne links, diente den Gastgebern als Erkennungszeichen, als sie die beiden Frauen mit ihren Töchtern am Berliner Hauptbahnhof abholten.

Gastgeberin Monika (r) sitzt mit Kateryna (l) und deren Tochter Daria (2.v.l) sowie Tanya (2.v.r) und deren Tochter Elina, die Spagat macht, in dem Zimmer ihrer Gäste, welches vormals Wohnzimmer war. Beide Mütter sind Freundinnen und Mitte März gemeinsam aus der gut 300km südöstlich von Kiew gelegenen Stadt Krementschuk geflohen. Ihre Männer hatten sie mit dem Auto zur polnischen Grenze gebracht, von wo sie weiter nach Berlin geflohen sind. Anders als Olha, eine andere Geflüchtete, die alleine nach Deutschland kam und erst in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnte, fanden die Freundinnen ihre Gastgeberin Monika über eine Internetseite zur Vermittlung von Privatunterkünften für Flüchtlinge aus der Ukraine. Monika holte sie daraufhin direkt am Berliner Hauptbahnhof ab. Die Mädchen Elina und Daria nehmen am aus der Ukraine bereitgestellten Online-Unterricht teil und sollen sobald wie möglich in Berlin auch eine Schule besuchen, erzählt Monika, die selbst zwei Kinder hat und in der Bildungsberatung tätig ist. Tanya hat einen 18 jährigen Sohn zuhause lassen müssen, der nicht ausreisen darf. Dass er eingezogen würde, sei jedoch unwahrscheinlich, sagt die Mitarbeiterin eines Chemielabors, mit feuchten Augen.

Olha (M) und ihre Gastgeberin Ulla stehen in Ullas Wohnung in Berlin-Friedenau auf dem Balkon. Den Beginn des russischen Angriffs auf ihr Heimatland im Februar hat Olha aus Kiew im Nachtzug erlebt. Aus dem Zug erschienen ihr die Explosionen unwirklich, «wie ein Feuerwerk». Die Angst dieser Stunden steckt ihr immer noch in den Knochen. Bevor Olha zu ihrer Gastgeberin Ulla kam, wohnte sie in einer Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Berlin-Reinickendorf. Für Ukrainerinnen, die zusammen mit Angehörigen oder Freunden in Deutschland seien, sei es vielleicht einfacher, in so einer Unterkunft zu leben. Als Frau alleine habe sie sich in dem Gebäude, wo man die Zimmertür nicht abschließen könne, nicht so wohl gefühlt. «Erst dachte ich, ich bleibe nur ein paar Tage in Deutschland oder Wochen, aber ich weiß, dass alle Flüchtlinge so denken», sagt die Ukrainerin, die Germanistik studiert hat und fließend deutsch spricht. Zu Beginn ihrer Flucht war Olha jedoch erst bei ihrer Familie im Westen der Ukraine, nahe der Grenze zu Belarus. Ihr Bruder habe jedoch gesagt, sie sei eine «Panikeurin», eine, die schnell in Panik gerate. Er habe sie gedrängt, über Polen nach Berlin zu fahren. «Wenn wir alle ums Leben kommen, dann musst Du bleiben», habe er zu ihr gesagt.

Yuliia (hinten M) und ihre 6-jährige Tochter Yeva (vorne l) aus der Ukraine ist mit ihren Gastgebern Rosemarie (l hinten) und Alfons (r vorne) im Wohnzimmer zu sehen. Ebenfalls dabei ist Yuliias Kindheitsfreundin Violetta (r hinten) mit ihrem 6-jährigen Sohn Aron (vorne M), die als gebürtige Ukrainerin schon viele Jahre in Berlin lebt und Yuliia geholfen hat nach Berlin zu flüchten. Durch die Vermittlung eines weiteren Freundes hat Yuliia ihre Gastgeber gefunden. Sie kommen aus der westlich von Kiew gelegenen Stadt Schytomyr. Kurz nach Kriegsbeginn fuhr ihr Mann Yuliia und die gemeinsame Tochter zur ungarischen Grenze, er selbst durfte die Ukraine nicht verlassen. Auf dem Weg sahen sie Rauchwolken von Angriffen und stecken stundenlang im Stau fest. Riesen Angst vor Angriffen hätten sie dabei gehabt, sagt die auf festliche Frisuren spezialisierte Friseurin. Nach zweieinhalb Wochen in Ungarn, ohne die Möglichkeit irgendetwas zu tun, kaufte Violetta ihrer Freundin Yuliia ein Ticket nach Berlin. Jeden Tag wird sie von Yuliia gefragt, wie sie leben solle, erzählt Violetta. Der Gedanke an die Zukunft sei eine wahre Zerreißprobe. In Berlin bleiben und mit der Tochter in Sicherheit zu sein, oder zurück gehen und die Familie zusammen halten. Einmal sagte Yuliias Mann sie solle nun zurückkommen, es sei ruhig. Am darauffolgenden Tag, sei die Stadt dann von 24 Raketen getroffen worden. Tochter Yeva soll nun in Berlin und gleichzeitig in der Ukraine für die Schule angemeldet werden, während Mutter Yuliia schon jeden Tag zum Deutschunterricht geht.
Christoph Soeder
Berlin, 08.04.2022
Beiträge 2022 von Christoph Soeder